Mittwoch, 28. Juli 2010

Samartex - die „big mama“ Samrebois

Samartex Timber & Plywood Company LTD wurde 1995 gegründet. Bis dahin herschte in Ghana ein kommunistisches System, jede großindustrielle Produktion gehörte dem Staat. Misswirtschaft führte zum Ruin vieler dieser Fabriken, also begann Ghana in den 90er Jahren die Firmen wieder zu privatisieren. So entstand auch Samartex aus der von den Briten im Jahr 1947 gegründeten African Timber & Plywood Company (AT&P). Diese Privatisierung kam nur mit der Zusage von Investitionen und der Übernahme von sozialer Verantwortung zustande. So stellt Samartex kostenlos Strom und Trinkwasser zur Verfügung, betreibt ein Krankenhaus mehrere Schulen und unterhält einen Fußballclub.
 
Samartex beschäftigt etwa 1.600 Arbeiter und besteht grundsätzlich aus Samartex aus vier produzierenden Abteilungen. Die Forestry ist für die Bewirtschaftung der Konzessionsflächen zuständig und liefert das Stammholz für die Fabrik. Das Stammholz wird am log yard angeliefert.  
Dort wird das Holz nach Qualität (Holzart, Stammlänge und –durchmesser sowie Wuchsmerkmale) eingeteilt an die Abteilungen Veneer Mill, Saw Mill und Ply Mill verteilt. In der Veneermill werden aus den Messerblöcken (flitches) mit großen dampfbetriebenen Maschinen hochwertige Messerfurniere hergestellt. 
Im Sägewerk wird Brettware, größten teils mit Horizontal- und Vertikalbandsägen eingeschnitten, mit Kreissägen auf Länge gebracht und sortiert.
Man könnte sagen der ganze Rest, also Veneerreste und minderwertigere Stämme werden in der Ply Mill zu rotary veneer, oder zu Sperrholz weiterverarbeitet. Die Stämme werden je nach Holzart zunächst gedämpft und anschließend längs der Stammachse zwischen rotierende Spindeln gespannt. Radial zur Stammachse wird dann ein Schälmesser an den Stamm gefahren und so ein Endlosfurnier erzeugt. Dieses Endlosfurnier wird dann auf Maß geschnitten und in Rollentrocknern getrocknet. Entweder wird das Furnier direkt verkauft, oder zu mehrlagigem Sperrholz verpresst. Veneerreste werden in einem Zwischenschritt mit Hilfe von PVAC-Leim zu passenden Furnierlagen zusammengefügt und für den Sperrholzkern verwendet.
Neben diesen drei wichtigen Produktionslinien gibt es noch die moulding (Fensterkantelproduktion), die carving (Schnitzerei, Tischlerei), sowie die Serviceabteilungen Engineering, Transport, Human Resource und Accounts.
Die Firma ähnelt einem riesen Ameisenhaufen, auf den ersten Blick nicht zu überschauen und auch nach dem zweiten und dritten Blick wird es nicht viel besser. Die gesamte Firma wird 24/7 überflutet von dem sehr eindringlichen Kreischen der Fichtenmopeds (Fichten-Harley triffts besser) in der Regel handelt es sich um 140ccm Stihl 090 mit 14PS, mindestens 1,2m Schwert und immer ohne Schalldämpfer. Tausende von Arbeitern wuseln durch die Gegend und versuchen beschäftigt zu wirken. Es ist unglaublich schmutzig und niemanden scheint es zu interessieren. Die Arbeitsorganisation ist total uneffizient, aber Arbeitskräfte kosten ja nichts, ein einfacher Arbeiter verdient etwa 100 Cedi (etwa 52 Euro), da muss eine Maschine schon sehr lange laufen, um sich im Vergleich zur Handarbeit zu rentieren. Die Maschinen die da sind … also die „neuen“ Maschinen sind aus den 80ern, viele der Dinosaurier stammen noch aus der Zeit der Firmengründung, also 1947/48, so zum Beispiel das Kesselhaus, indem Dampf bzw. heißes Wasser produziert wird, mit dem dann u. a. die Pressen und Trockner betrieben werden. Auf den Deckeln der holzbefeuerten Wasserkessel prangen stolz die alten Eisenplaketten aus der zeit der Engländer. Ich musste meinen natürlichen Überlebensinstinkt unterdrücken um doch hineinzugehen in die Kesselhalle, geschätzte 80 Grad, Feuer schießt aus den Lucken die von den Arbeitern ständig gefüttert werden und überall museumsreife Technik, notdürftig geflickt, geschweißt … „modifiziert“ wie man hier sagt. MacGyver hätte hier wahrlich viel Spass gehabt und ganz sicher in dem Samartex Chef-Ingenieur seinen Meister gefunden.
Zur Zeit arbeiten drei „Obrunis“ (weiße Männer) in der Firma. Natürlich Stephan, mein Mitbewohner und Bruder der Frau meines Cousins … öh ja! … und dann ist da noch D E R Lothar. 
Mr. Lothar Lang ist seit sechs Monaten hier und kam mit mir zusammen im August aus dem Urlaub wieder zurück. Ich habe ihn im Flugzeug sofort erkannt, denn Stephan hatte ihn mir wie folgt beschrieben: „kannst ihn nicht verfehlen, such nach einem der in jedem 70er Schlackerwestern die Hauptrolle übernehmen könnte. Et voilà: Lederhose, Halb offenes Hawaiihemd mit stattlicher Brustkatze und darüber liegender Goldkette, knusper-braun und Lockenmähne … Lothar! Er hat in dem halben Jahr 20 Kilo abgenommen, Lothar ist was man einen klassischen Workaholic nennt. Er leitet die Veneer Mill, ist als für die Messerfurniere zuständig. Lothar hat die unheimliche Gabe innerhalb von 30 Sekunden über mehrere Vorstufen zu detonieren wie eine Bombe. So neulich erlebt: production meeting … alles gut, bis Lothar auf die Elektriker zu sprechen kommt … Phase 1: starrer Blick nach vorn, leichte Rötung im Gesicht „diese verdammten Elektriker!“ Phase 2: die Stimme wird merklich lauter „einen ganzen Vormittag habe ich denen meinen Trockner gegeben!!“ Phase 3: die Stimme wird ein Schreien, auf der Stirn zeichnet sich eine gefährlich puckernde Ader ab, der Blick ist nicht mehr starr sondern wandert umher und sucht nach Zustimmung „Zwei Stunden nachdem die weg waren fällt mein Trockner wieder aus!!!!!“ Phase 4: Zündung!! „Wegen einem Elektrikproblem!!!!!!!!!!“ er haut mit voller Wucht auf den Tisch, seine Augen treten aus den Höhlen, blanke Wut … Lothar schwebt gute 50cm über dem Boden, und das nach nur 30 Sekunden. Ich bin fassungslos und denke mir „Lothar, das ist ja ne wirklich schöne Geschichte die du da erzählst, aber die Elektriker sind noch nicht mal hier!“
Naja aber grundsätzlich ist es gut, so einen Lothar in der Firma zu haben, denn alle Arbeiter kennen diese 30 Sekunden sehr genau und versuchen in Lothars Gegenwart noch beschäftigter zu wirken. Als er einmal Halsschmerzen hatte und die leere Packung der Hustinetten im Betrieb liegengelassen hat, wurden seitens der Belegschaft sofort Vermutungen angestellt … „Mr. Longs Power Pills!!“
Seit Neuestem gibt es zu Stephan und Lothar noch den Hans. Hans ist seit 20 Jahren in Afrika und Experte für Sperrholzproduktion. Die ersten zwei Wochen hat er sich nur um die Sauberkeit im Unternehmen gekümmert. Und die Art und Weise der Organisation ließ mich schnell auf die Bundeswehr kommen und siehe da, 5 Jahre Ausbilder!
Einer seiner Standardsprüche zu den Arbeitern: „Madamfo! (Freund) You are doing what here?“ und wehe es kommt keine plausible Antwort! Zum Anfang wirkte bei mir sofort dieses fremd schämen auf und ich dachte „lass doch den armen Kerl, der ist einfach nur müde!“
Mit Hans ist hier auf jeden Fall ein neuer Aufwind zu spüren, die Firma wird sauberer, die Arbeiter sputen sich und die Produktionszahlen steigen. Ich hoffe Hans hält durch!

2b continued

4 Kommentare:

  1. das bild unten links ist mal geil :)

    AntwortenLöschen
  2. ich bin beeindruckt, ist ja ne riesen Firma

    AntwortenLöschen
  3. Mannmannmann Stefan, räum mal in der Furnierbude auf, die haben so´nen Hausmeister wie dich ja nicht zum Spaß eingestellt. Und wenn Du mit den Produktionshallen feddich bist, kümmere dich doch auch nochmal um den Holzplatz, da liegt ja auch alles kreuz und quer!!! Die paar Stämmchen bekommst Du mit deinem Training auch noch aus dem Schlamm raus.

    Beste Grüße aus Gö

    Sebi

    AntwortenLöschen
  4. It has been 11 years. Waiting for a new post.

    AntwortenLöschen